William Mc Kinley Rigdon (1904 bis 1991) war 41 Jahre alt, als er in der Dienststellung eines Adjutanten von Präsident Harry S. Truman Mitglied der US-Delegation auf der Potsdamer Konferenz war. Seit 1942 war er stellvertretender Marineadjutant im Weißen Haus der Vereinigten Staaten. Bis 1953 übte er diese Tätigkeit aus. Über die elf Jahre Jahre im Dienst von drei Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika veröffentlichte er 1962 das Buch „Sailor in the White House. My 11 years of service to three presidents„. 2019 erschien es bei Phocion Publishing als elektronische Ausgabe. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf Übersetzungen des englischsprachigen Buchtextes, die der Verfasser dieses Beitrages vornahm.

William M. Rigdons Aufgaben waren vielfältig. So führte er unter anderem das Reisetagebuch des Präsidenten, als dieser per Schiff und Flugzeug nach Berlin unterwegs war, um an der Konferenz der Großen Drei in Potsdam teilzunehmen. Dieses Log-Buch wurde, mit Illustrationen versehen, den Delegationsmitgliedern zur dienstlichen Nutzung ausgehändigt.
Eine 38 Minuten lange Dokumentation über die Reise von Harry S. Truman zur Potsdamer Konferenz (hier als Berlin Conference bezeichnet) und zurück war ein weiteres Ergebnis von Rigdons Arbeit. Es ist die offizielle, von der Regierungsseite erstellte Fim-Version der Reise. In dem Film gibt es auch eine aus dem Auto heraus aufgenommene Sequenz von der Fahrt des Präsidenten über die parallel zur zerstörten Glienicker Brücke errichtete Holzbrücke. Das Auto kam von der Berliner Seite und zu sehen sind in Richtung Westen Teile der Glienicker Brücke sowie die Villa Kampffmeyer und die Kolonnaden auf der Potsdamer Seite. Enthalten sind in dem Film auch zahlreiche Aufnahmen aus dem Sperrgebiet Neubabelsberg. Der Film ist chronologisch aufgebaut. Zur besseren Illustration wurden jedoch einzelne Szenen aus der Chronologie herausgenommen und wirksamer zugeordnet. Es ist davon auszugehen, dass nicht alle Aufnahmen für den Film genutzt wurden und die herausgeschnittenen Szenen in den USA im Archiv liegen.
Unten: Titelblatt der detaillierten Beschreibung der Reise zur Potsdamer Konferenz und zurück sowie des Aufenthaltes von Truman in Neubabelsberg. Das 140 Seiten umfassende Material wurde im August bzw. September 1945 erarbeitet und enthält zahlreiche Abbildungen, Personenverzeichnisse sowie eine Karte.
Rigdon schrieb Truman, im Gegensatz zum Inhalt der bekannten historischen Dokumente, die Initiative für die Einberufung der Konferenz der Großen Drei zu.
Einer der ersten Schritte von Präsident Truman bestand darin, Admiral Leahy auf seinem Posten zu halten. Der Admiral trauerte tief über Roosevelts Tod und wollte in den Ruhestand gehen. Aber der neue Präsident brauchte ihn. Er und Harry Hopkins wussten mehr als alle anderen Männer, die die Jahre mit Roosevelt verbracht hatten. Beide ließen Präsident Truman in vollem Umfang von ihrem Wissen profitieren, er verbrachte Stunden mit ihnen und arbeitete sich so tief ein, als würde er Abschlussprüfungen über die Konferenzprotokolle von Casablanca, Kairo, Teheran, Quebec und Jalta ablegen müssen. Als er die ganze Geschichte von den Schwierigkeiten beim Arrangieren der Konferenzen kannte, schickte er Harry Hopkins nach Moskau und Joseph E. Davies nach London, um eine Konferenz der Großen Drei vorzubereiten, nachdem Deutschland besiegt worden war. Stalin war bereit, Russland zu verlassen. Der Gedanke an ein Treffen in Berlin, der Hauptstadt des Feindes, gefiel ihm.
… Präsident Truman arbeitete bis spät in die Nacht, um sich auf die Diskussionen mit Stalin und Churchill vorzubereiten. Ich erinnere mich, daß er den 4. Juli abgeschieden mit einigen seiner Berater auf der Präsidentenjacht Potomac verbrachte. Nahezu jeden Tag war um halb sieben Uhr in seinem Büro, wo er bis nach sechs abends arbeitete.
Präsident Truman nahm einen großen Stab mit nach Berlin, um das breite Themenspektrum der Konferenz abzudecken.
Es gab mehrere kurzfristige Änderungen in der Mannschaft, die den Präsidenten nach Deutschland begleiten sollte. Der US-Botschafter in Moskau, Hopkins, bat, aus gesundheitlichen Gründen nicht mitzureisen. Staatssekretär Stettinius trat zurück und wurde durch James F. Byrnes ersetzt. Fred M. Vinson, Direktor des Amtes für Kriegsmobilisierung und Umwandlung (Office of War Mobilization and Reconversion) wurde zum Finanzminister ernannt.
Flottenadmiral Leahy und Außenminister Byrnes waren die einzigen hochrangigen Überbleibsel von den Roosevelt-Kriegskonferenzen. Die neuen Gesichter in seiner Mannschaft waren u.a.: der Pressesprecher Charles G. Ross; Brigadegeneral Harry H. Vaughan, der militärische Adjutant; Kapitän James K. Vardaman, Jr., Marine-Adjutant; Kapitän Alphonse McMahon, eine Zeit lang Arzt des Präsidenten, und als Überraschung für uns alle, Fred E. Canfil, US-Marschall in Kansas City.
W. Rigdons Erinnerungen an seine Zeit mit Harry S. Truman wurden beeinflusst durch die große Sympathie, die er für ihn hatte.
Als Harry S. Truman am 12. April 1945 die Regierung übernahm, kannte ich ihn nur vom Sehen. Ich bin mir sicher, dass er nie von mir gehört hatte. Aber als er im Januar 1953 das Weiße Haus verließ. hatte ich das Gefühl, ihn mein ganzes Leben lang gekannt zu haben und für immer auf ihn als Freund zählen zu können.
Liegt darin vielleicht ein Grund, weshalb Rigdons Informationen zur Potsdamer Konferenz relativ knapp gehalten sind? Oder unterwarf er sich beim Verfassen des Textes geltenden Geheimhaltungsvorschriften? Das Buch erschien auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion. Im Oktober 1962 stand die Welt mit der Kuba-Krise vor der Gefahr eines Atomkrieges.
Der Präsident und die ihn begleitenden Personen der offiziellen US-Delegation reisten zunächst mit dem Kreuzer „Augusta“ über den Atlantik bis nach Antwerpen, von dort mit dem Auto nach Brüssel und weiter mit dem Flugzeug nach Gatow bei Berlin.
Drei C-54, angeführt von der „Sacred Cow mit Colonel Myers am der Steuer. Außenminister Byrnes, der nach dem Gesetz der nächste in der Nachfolge des Präsidenten war, durfte nicht im selben Flugzeug wie der Präsident fliegen.

Harry S. Truman, nutzte die Maschine in den ersten 27 Monaten seiner Amtszeit ausgiebig. Erster Pilot der Präsidentenmaschine war von 1944 bis 1948 Colonel Henry Tift Myers.

Die Presidential Airlift Group, Teil des 89. Airlift Wing des Air Mobility Command mit Sitz auf der Andrews Air Force Base in Suitland, Maryland, besteht bis heute und wartet bzw. fliegt das später „Air Force One“ genannte Präsidentenflugzeug.
Über die Ankunft des Präsidenten am Konferenzort schrieb Rigdon:
Der Präsident traf am 15. Juli kurz nach 4 Uhr auf dem Flughafen Gatow ein, einem der zahlreichen Flugplätze, die Berlin umgaben. Er wurde von einer großen Delegation amerikanischer und russischer Vertreter begrüßt. Die Ehre wurde ihm von einem Band und Ablösung von der 2nd Armored („Hell on Wheels™“) zuteil.
Myers wird Gatow mit der Präsidentenmaschine noch am 15. Juli wieder verlassen haben. Am 26. Juli startete er mit dem Präsidenten und seiner Begleitung nach Frankfurt/Main zum Besuch des Hauptquartiers von General Eisenhower und kehrte noch am gleichen nach Gatow zurück. Am 2. August flog Truman von Gatow nach Großbritannien, um von Plymouth aus mit dem Kreuzer „Augusta“ in die USA zurückzukehren.
Die „Sacred Cow“ stand während der Potsdamer Konferenz ansonsten vermutlich auf einem Flugplatz in Paris. Der bisher nicht ausgewertete Nachlass von Myers enthält dafür jedenfalls schriftliche und fotografische Hinweise.
Wie Truman und seine Begleitung von Gatow nach Neubabelsberg fuhren, wird nicht beschrieben.
Die Präsidentenparty war in Babelsberg untergebracht, einem östlichen Vorort von Potsdam, etwa zwölf Meilen südwestlich von Berlin. Obwohl in der Sowjetzone gelegen, stand unser kleiner Teil von Babelsberg, „unsere Insel“, wie wir sie nannten, für die Dauer der Konferenz unter der Kontrolle der Armee der Vereinigten Staaten. Berlin war von den alliierten Bomben unbeschreiblich zerstört worden, aber Babelsberg blieb verhältnismäßig unbeschädigt.
Das Präsidentenquartier in der Kaiserstraße 2 war ein dreistöckiges, gelbstuckfarbenes Haus mit dreißig Zimmern. Es ist wunderschön gelegen. Der Garten erstreckte sich fast eine Viertelmeile bis hinunter zum Ufer des Griebnitzsees. Das Haus zeigte keine Auswirkungen des Krieges. Der Präsident erteilte uns allen die strenge Anweisung, die in dem Haus vorgefundenen Gegenstände nicht zu „entfernen“. Alles sollte so belassen werden, wie wir es vorgefunden hatten.
Vermutlich kam diese Weisung zu spät oder nicht bei allen im Haus wohnenden bzw. arbeitenden Mitgliedern der Delegation an.
Soviel ich weiß, wurde diese Anweisung befolgt, mit einer Ausnahme: eine von zwei Statuetten aus Admiral Leahys Zimmer. Als der Admiral erfuhr, dass sie verschwunden war, war er so verärgert, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Er beteiligte sich persönlich an der Suche nach dem verschwundenen Gegenstand, jedoch ohne Erfolg.
Präsident Truman hatte in seiner Neubabelsberger Residenz, „Little White House“ genannt, eine eigene Küche mit Speisesaal – auch als Messe bezeichnet. Die Arbeit leisteten darin „our Filipinos“, wie Rigdon mitteilte.
Major John Lennox, Chef der Messe im Obersten Hauptquartier (Supreme Headquarter) in Frankfurt, richtete für uns in Babelsberg eine Niederlassung (branch supply) ein. Von der aus die Delegation mit Verpflegung versorgt wurde.
Dazu gehörte der Sonderwunsch des Präsidenten nach Buttermilch.
Ich hatte mitbekommen, dass Truman Buttermilch mochte, also hatte ich auf dieser Reise einen Vorrat dabei. … Bei einer anderen Gelegenheit hatten wir frische Milch, Sahne und Buttermilch einfliegen lassen.
Im Souterrain der Residenz des Präsidenten befand sich eine eigens für ihn eingerichtete Telefonzentrale, über die er auch mit seiner Frau und anderen Familienmitgliedern in den USA sprach und Nachrichten versandte.
Der Präsident sprach mehrmals mit Frau Truman in Independence, Missouri, während wir in Berlin waren. Sein Anruf am Abend des 15. Juli, als er ihr seine glückliche Ankunft mitteilte, war der erste seit 1942 von Berlin aus in die USA.
Wir hatten unsere eigene private Telefonzentrale, die von vier WACs (Corporals) besetzt war, Alma Bradley, Mary Whiteus, Charlotte Szostek und Eleanor Moynihan.
Die Abkürzung „WAC“ steht für Womens Army Corps, den nur von Frauen gebildeten Einheiten der US-Armee. Es wurde am 15. Mai 1942 als Hilfseinheit gegründet, das Women’s Army Auxiliary Corps (WAAC), und am 1. Juli 1943 als WAC in den aktiven Dienst der US-Armee übernommen. Seine erste Direktorin war Colonel Oveta Culp Hobby.
Der Adjutant des Präsidenten beschreibt in seinen Erinnerungen die von Truman am Nachmittag des 16. Juli unternommene Fahrt in das zerstörte Zentrum von Berlin, wo er die Machtzentralen des besiegten faschistischen Deutschlands besichtigte. Die in den Erinnerungen dazu enthaltenen Informationen stimmen mit denen in anderen Memoiren überein. Interessanter sind Rigdons Erfahrungen, die er bei seinen privaten Ausflügen machte.
Später unternahm ich auf eigene Faust Fahrten nach Berlin und unterhielt mich mit einem Teil des deutschen Volkes. Bei zwei Gelegenheiten wurde ich in ihre Häuser eingeladen, wo ich herzlich behandelt wurde. Ich kannte nur ein paar deutsche Wörter und sie ein paar englische, aber irgendwie hatten wir wenig Schwierigkeiten mit der Verständigung. Die beiden Häuser, die ich sah, hatten schöne Möbel, aber es war alles in dem Teil ihres Hauses, der noch bewohnbar war. In einem bot man mir eine Tasse Kaffee an. Ich war skeptisch, ob ich das annehmen sollte. Aber ich tat es – nur um mich davon zu überzeugen, wie Ersatzkaffee schmeckte. Er war nicht schmackhaft. Ich hatte nichts mit, außer ein paar Schokoriegel und eine Schachtel Kekse. Sie nahmen es, da es für sie Luxusgüter waren.
Einen Einblick in das Innenleben der US-amerikanischen Delegation gewährt Rigdon wie folgt:
Wir waren erst ein paar Tage in Babelsberg, als ich von einem fantastischen Schwarzmarkt hörte, den es in Berlin gab.
Die Speisekammer des Präsidenten war mit dreißig Dutzend Eiern ausgestattet worden, mehr als genug, um fünfzehn Personen zwei oder drei Tage lang zu versorgen. Aber am dritten Tage kam der Obersteward zu mir, um mir zu berichten, daß wir keine Eier mehr hätten. „Das ist unmöglich!“ Ich hatte gesagt: „Uns dürfen die Eier nicht ausgehen.“ »Sie sind alle fort«, wiederholte Orig. Mehr konnte ich nicht von ihm als Erklärung bekommen. Also fing ich an, Fragen zu stellen.
Unsere Geheimdienstleute erzählten mir, dass ein Ei bis zu zehn Dollar auf dem Schwarzmarkt bringe. Bezahlt wurde in militärischer Währung, zumeist mit russischen Soldaten. Ich lernte, dass diese Art von Geld außerhalb des Schwarzmarkts nichts wert war. Unsere Behörden hatten den Russen gestattet, so viel davon zu drucken, wie wir in der Lage waren, es mit echtem Geld einzulösen. Russische Soldaten waren damit regelrecht beladen. Einige von ihnen gingen mit ihrer Währung in kleinen Aktenkoffern herum, auf der Suche nach Souvenirs. Amerikanische Zigaretten und Armbanduhren mit Zeiger waren die am meisten nachgefragten Artikel. Uhren mit Mickey Mouse Zifferblättern und roten Sweep-Händen waren die Favoriten. Eine Packung amerikanischer Zigaretten brachte bis zu zehn Dollar, ein Schokoriegel brachte fünf. Immer gab es mehrere Bieter für jeden angebotenen Artikel. Kameras brachten Hunderte. Als ich den Schwarzmarkt besuchte, um nach meinen fehlenden Eiern zu suchen – ohne Erfolg natürlich – war ich so fasziniert, dass ich der Versuchung erlag und meine fünf Jahre alte 17,50 $ Armbanduhr einem russischen Soldaten für 185 Dollar in Militärwährung verkaufte.
Wie Rigdon schrieb, hätte er deswegen Gewissensbisse gehabt. Als er jedoch sah, welche Menge von Armbanduhren aus den USA an die in Berlin weilenden Amerikaner per Militärfracht gesandt wurden, seien sie von ihm abgefallen.
Unsere sonst zuverlässigen Filipinos gehörten zu den Star-Händlern. Einer von ihnen, Zimmerpersonal im Haus des Präsidenten, stellte einen unschuldigen GI ein, der nicht handelte, um seine Arbeit für ihn zu erledigen, damit er mehr Zeit damit verbringen konnte, Sachen an die Russen zu verkaufen.
Als Hunderte oder Tausende von Amerikanern und eine eben so große Anzahl russischer Soldaten erfolgreich Geschäfte auf dem Schwrzmarkt getätigt hatten, wurde er von den Militärbehörden verboten.
Ein oder zwei Tage, bevor wir aus Babelsberg abreisen sollten, kam ein philippinischer Koch tiefbetrübt zu mir. Der Finanzoffizier der Armee habe sich geweigert, ihm amerikanisches Geld zu geben für einen Korb mit Drehbüchern. Ich fragte, woher er all das Zeug habe. Er sagte, er hätte es beim Kartenspielen gewonnen, was ich natürlich nicht glaubte.
Wie auch immer, ich verwies ihn an den zuständigen Armeeoffizier für Klagen unserer Delegation gegen die Armee – den militärischen Berater des Präsidenten, General Harry Vaughan. Der General, glaube ich, sprach die Angelegenheit gegenüber dem Präsidenten an. Der Beamte der Finanzabteilung wurde angewiesen, den Umtausch vorzunehmen, unser Filipino erhielt etwa viertausend Dollar in gutem amerikanischem Geld und war für mich auf dem ganzen Weg nach Hause nicht mehr zu gebrauchen.
William M. Rigdon berichtet noch über andere Episoden. Diese sind entweder in dem von ihm verfassten Reisetagebuch des Präsidenten zu finden oder ebenfalls in den Memoiren anderer Konferenzteilnehmer.
© GeschichtsManufaktur Potsdam, 04. Juli 2025