Henry Lewis Stimson, Secretary of War (Kriegsminister) der Vereinigten Staaten von Amerika, wohnte vom 15. bis zum 25. Juli 1945 mit seiner Begleitmannschaft in Neubabelsberg, Domstr. 1. In dem Gebäude befanden sich sein Arbeits- und Wohnraum und die einiger seiner Mitarbeiter. Das Hauptthema, mit dem er sich in diesen Tagen befasste, war die Atombombe – ihre Erprobung und der vorgesehene Abwurf über japanische Städte. Zu diesem Zweck führte der wenige Wochen vor seinem 78. Geburtstag stehende Politiker eine Vielzahl von Gesprächen, mit Militärs und mit Politikern, vor allem aber mit US-Präsident Harry S. Truman.
Die wichtigsten Informationsquellen für die nachfolgenden Ausführungen sind der Dienstkalender Stimsons1Appointment Books, Vol, VI, 1945. National Archives, Record Group 107, Records of the Office of the Secretary of War sowie das von ihm verfasste und in maschinenschriftlicher Form vorliegende Tagebuch.2Henry L. Stimson Diary, Vol. 49 – Vol. 52 (1944 November 1 – 1945 September 21), Yale University Library Digital Collections
Vorgeschichte
Henry L. Stimson wurde am 21. September 1867 in New York City geboren. Er studierte an der Yale University und an der Harvard University Jura und arbeitete zunächst als Anwalt. 1906 wurde Stimson zum United States Attorney für den Southern District of New York ernannt. 1910 trat er zur Wahl zum Gouverneur für New York an, erfolglos. 1910 ernannte ihn US-Präsident William Howard Taft zum Kriegsminister. Bis 1913 bekleidete er dieses Amt. 1929 bis 1933 war er Außenminister. 1940 berief Franklin D. Roosevelt den republikanischen Politiker erneut zum Kriegsminister. Nach dem Tod Roosevelts im April 1945 verblieb Stimson in seinem Amt und war bis zum 25. September 1945, seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben, für die Regierung von Harry S. Truman tätig.
Jeder Wechsel in der Präsidentschaft bringt notwendigerweise auch Veränderungen in der Zusammensetzung des Kabinetts mit sich, aber ich wußte, daß ich – bis wir Gelegenheit gehabt haben würden, miteinander zu arbeiten – den bisherigen Kabinettsmitgliedern mit Unvoreingenommenheit entgegen treten müsse. In diesen schweren Tagen war ich auf ihre Kenntnis der Geschäfte und ihre Erfahrung mit Präsident Roosevelt angewiesen. …
Diese erste Kabinettssitzung war kurz. Nachdem ich sie geschlossen hatte, standen die Mitglieder auf und verließen mit Ausnahme des Kriegsministers Stimson schweigend den Raum. Er wolle, sagte er mir, mit mir über eine äußerst dringliche Sache reden. Ein riesiges Projekt sei in Ausführung begriffen – ein Projekt zur Entwicklung eines neuen Explosivstoffes von fast unglaublicher Zerstörungskraft. Mehr glaube er im Moment nicht sagen zu dürfen. Seine Mitteilung klang rätselhaft und verblüffte mich, es handelte sich um die erste karge Information, die ich über die Atombombe erhielt.3Truman, Harry S., Memoiren, Bd. I Das Jahr der Entscheidungen (1945), Stuttgart 1955, S. 23.
Die Kabinettssitzung fand am 18. April 1945 statt. Kurz zuvor hatte Truman den Eid als neuer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika abgelegt.
Anfang Juli 1945 begannen die Vorbereitungen für die Reise des US-Präsidenten und seines Kabinetts nach Potsdam.
An den Vorbereitungen für die Potsdamer Konferenz waren Kabinettsmitglieder, Botschafter, die Stabschefs, mein Sekretariat, das Staatsdepartment, die Armee, Flotte und Luftwaffe, das Schatzamt und der Geheimdienst beteiligt. Viele Persönlichkeiten dieser Dienststellen und Ämter waren gleichzeitig auch Mitglieder unserer Delegation. In gewissem Sinn mußte das Weiße Haus für die Dauer der Konferenz nach Potsdam verlegt werden.4Ebenda, S. 322 f.
Truman unternahm die Überfahrt nach Europa ab dem 6. Juli auf einem Kriegsschiff und ab Brüssel mit dem Flugzeug weiter nach Gatow. Henry L. Stimson und die ihn begleitenden Personen stachen ebenfalls am 6. Juli 1945 in See. Um 14.20 Uhr legte ihr Schiff, die „U. S. S. Brazil“ am Pier 3 South Side, Brooklyn Army Base, in Richtung Gibraltar ab.
Begleitet wurde Kriegsminister Stimson von:
John Jay McCloy, Assistent Secretary of War (SOFW);
Harvey Hollister Bundy, Special Assistent;
Major. General Norman Thomas Kirk, 03524 Surgeon General;
Colonel William Henry Kyle, 0224366, A. D. C. to SOFW;
Colonel Kenneth Ray Kreps, 021493, „Pilot“ for SOFW;
Colonel Richard Ammi Cutter, 0199022, G. S. C. Office A SOFW – McCloy;
Colonel Harrison Alan Gerhardt, Exec. Officer to A SOFW – McCloy (18699);
Lieut. Col. J. B. Cabell, Operations Division, War Department General Staff (Acted as Finance Officer);
Warrant Officer James R. Costello, W-2139980;
Technical Sgt. Joseph Phillip Leveritt, 17052327 Army Medical Center;
Staff Sgt. Arthur Frederick Rall, Secret Service
Am 10. Juli konferierte Stimson um 9.30 Uhr auf See per Funk mit Außenminister Byrnes und mit Marineminister James Forrestal als Mitglieder des so genannten „Commitee of Three“. Um 18.30 Uhr lud er die Führungskräfte der „U. S. A. T. Brazil“ zu einem Dinner. Seine Gäste waren:
Harry N. Sadler, Master of the „U. S. S. Brazil“;
Lt. Col. Theodore L. Cogswell, Transport Commander of the „U. S. S. Brazil“;
Major J. E. Bobadilla-Requelme, Transport Surgeon;
Major (Chaplain) R. S. Ferguson.
Danach sahen sich die Führung des Schiffes und Stimsons Begleitung den „Film Report H 60 – Secret“ an.
Am 12. Juli 1945 gab Stimson um 18.30 Uhr ein Essen für die ebenfalls an Bord anwesenden Frauen, Capt. Louise de Mont Reynaud, „French WAC“, genannt The Black Panther, sowie Miss Jean Baxter, Vizekonsulin der USA in Genua, Italien. Um 22.30 Uhr wurde eine Pressekonferenz abgehalten.
Am 14. Juli legte die „U. S. S. Brazil“ um 8.30 Uhr in Gibraltar an. Der Kriegsminister und seine Begleitung wurden 8.35 Uhr bis 8.45 Uhr begrüßt von:
C. Paul Fletcher, Konsul der USA in Gibraltar;
Commander E. May, USN Naval Secretary of Consul;
Rear Admiral Victor Alexander Charles Crutchley, British Flag Officer Med. Area;
Air Marshal Alick Charles Stevens;
Brigadier Croxton Sillery Vale.
Um 9.16 Uhr flog Stimsons Delegation von Gibraltar in einem C-54 Flugzeug Richtung Frankreich ab. Wo es um 13.30 Uhr auf dem in der Nähe von Marseille gelegenen Militärflugplatz Istres landete. Dort wurden sie bis 14.30 Uhr von Lt. Gen. John Clifford Hodges Lee, Commanding General Communications Zone, und von Brig. Gen. John Paul Ratay, Commanding General Delta Base Section, betreut.
14.30 Uhr flogen Stimson und seine Leute nach Nizza ab, wobei sie Brig. Gen. Ratay begleitete. 15.45 Uhr landete das Flugzeug in Nizza. 16.10 Uhr trafen die Delegationsmitglieder mit Autos in ihrer für eine Nacht geplanten Unterkunft ein, der „Villa Eilenroc“ am Cap d´Antibes in der Nähe von Cannes.
Aufenthalt in Neubabelsberg
15. Juli 1945
Am 15. Juli 1945 startete Kriegsmnister Stimson mit seiner Mannschaft am Flughafen Nizza und landete um 10.15 Uhr wieder in Istres. Von dort ging ihre Maschine um 10.33 Uhr weiter nach Gatow, wo sie um 15.50 Uhr landete. 16.15 Uhr trafen Präsident Truman und Kriegsminister Stimson in Gatow zusammen. Truman kam mit seiner Begleitung aus Brüssel.
Nach einem etwa dreieinhalbstündigen Flug landeten wir auf dem Flugplatz Gatow, 15 km von Neubabelsberg entfernt. Bei der Landung begrüßten mich wiederum zahlreiche Persönlichkeiten, darunter Kriegsminister Stimson, der Assistierende Staatssekretär McCloy, die Assistenten im Kriegsministerium Clayton und Dunn … .5Ebenda, S. 330.
Stimson und seine Mannschaft fuhren mit Autos nach Babelsberg, zu ihrer Unterkunft Domstraße 1. Der diesbezügliche Eintrag im Kalender des Kriegsministers lautet:
SOFW-Stimson and party then proceeded by auto to I Don Strasse, Babelsburg, Germany (suburb of Berlin + Potsdam) where they stayed from this date – July 15th to July 25th.

Der erste Gast, den Stimson in seinem Domizil Domstr. 1 empfing war von 17.30 Uhr bis 18 Uhr William Averell Harriman, US-Botschafter in der Sowjetunion. Ihr Thema war die Situation rund um die Mandschurei. Von 18.30 Uhr bis 19 Uhr unterhielt er sich mit Botschafter Robert Murphy und von 21.15 Uhr bis 22 Uhr telefonierten die Generale George C. Marshall und Henry H. Arnold mit dem Kriegsminister.
16. Juli 1945
Ich verbrachte den Vormittag mit McCloy und Bundy, um die Papiere zur Mandschurei, dem Deutschlandproblem und drittens zur Antwort auf den Vorschlag des US-Außenministeriums zum Ruhrgebiet – nämlich ein Protektorat Frankreichs, Belgiens und der Niederlande sowie die vollständige Abtrennung des Ruhrgebiets von Deutschland – zu verfassen. Ich erhielt außerdem ein wichtiges Dokument zu den japanischen Friedensbemühungen.6Henry L. Stimson Diary, Vol. 49 – Vol. 52 (1944 November 1 – 1945 September 21), p. 23, Yale University Library Digital Collections
Laut Stimsons Kalender unterhielt er sich von 9.30 Uhr bis 9.50 Uhr mit Col. McCarthy zum „Japanese Paper“. Um 18.30 Uhr erhielt er eine sehr wichtige Nachricht von dem Leiter des Atombombenprojekts George L. Harrison.
Um 19:30 Uhr traf Harrisons erste Nachricht über den Test der S-1-Bombe ein, die ich sofort zum Haus des Präsidenten brachte und Truman und Byrnes zeigte, die natürlich sehr interessiert waren, obwohl die Informationen noch sehr allgemein gehalten waren.
Von 20.15 Uhr bis 20.50 Uhr sprach Stimson mit US-Präsident Harry S. Truman und US-Außenminister James F. Byrnes. Der Präsident konnte sich bei der Abfassung seiner Memoiren jedoch nicht mehr an den genauen Zeitpunkt erinnern. Er verlegte ihn auf den Vormittag des 16. Juli, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt zu seinem ersten Gespräch mit Premierminister Churchill und dessen Begleitung traf.
Am Vormittag des 16. Juli, also am Tage nach meiner Ankunft in Potsdam, übermittelte mir Kriegsminister Stimson die weltgeschichtliche Nachricht, daß die erste Atombombenexplosion stattgefunden habe. das geheimste und künste Unternehmen des Zweiten Weltkrieges hatte damit seinen erfolgreichen Abschluß gefunden.7Truman, Harry S., a.a.O., S. 425.
17. Juli 1945
Um 9.10 Uhr hatte Stimson ein Gepräch mit General Harry Hawkins Vaughan, dem Aide-de-Camp (A. D. C.) des US-Präsidenten. Dabei ging es um einen Termin zum Abendesse mit Truman. Von 9.40 Uhr bis 10.40 Uhr sprach Stimson im „Little White House“ mit Außenminister Byrnes.
Ich begab mich frühmorgens zu einer Besprechung mit Byrnes ins Weiße Haus. Zunächst erörterten wir den Umgang mit Harrisons Papier. Byrnes lehnte die von mir vorgeschlagene, umgehende Warnung an Japan ab. Er skizzierte einen Zeitplan für diese Warnung, dem der Präsident offenbar zugestimmt hatte, weshalb ich nicht weiter nachhakte. Ich betonte die Bedeutung der Politik der offenen Tür im Zusammenhang mit Stalins neuem Druck auf die Handelsrechte in der Mandschurei und riet dringend davon ab, jegliche Ansprüche auf Exklusivrechte entschieden zurückzuweisen.
Ich schilderte ihm die Entwicklung der Initiative „Offene Tür“ und des Neun-Mächte-Vertrags. Byrnes nahm diesen Rat offenbar an, und ich erörterte anschließend mit ihm die zu einem Dokument zusammengefassten Abhandlungen über Deutschland. Ich skizzierte kurz unsere darin vertretene Position, betonte aber die Gefahr von Problemen, die sich aus der territorialen Abtrennung und der Entnationalisierung der deutschen Bevölkerung des Ruhrgebiets ergeben würden. Ich wies darauf hin, dass dies völlig im Widerspruch zur historischen Entwicklung hin zum Nationalismus stehe, die sich in den vergangenen 150 Jahren in Europa vollzogen hatte, und stellte dies den klügeren territorialen Lösungen des Versailler Vertrags gegenüber. Später erfuhr ich durch Informanten und von McCloy, dass der Vorschlag des Außenministeriums praktisch verworfen worden war.8Henry L. Stimson, a.a.O., p. 23 f.
Um 11.10 Uhr begab sich Stimson in Begleitung von McCloy, Bundy und Colonel Kyle auf einen Ausflug nach Berlin. Um 13 Uhr waren sie wieder zurück.
Nach einer halben Stunde mit Byrnes unternahm ich einen Ausflug nach Berlin und durchfuhr die wichtigsten Stadtteile. Der Anblick der Zerstörung erschütterte mich. Fast jedes Haus war entweder zerstört oder ausgebrannt, und die Stadt wirkte wie ausgestorben, abgesehen von den verzweifelt wirkenden Gruppen Obdachloser, die mit ihrem Hab und Gut in kleinen Karren, Kinderwagen, Fahrrädern usw. umherzogen. Im russischen Teil der Stadt herrschte mehr Betriebsamkeit; offenbar waren dort noch immer Menschen damit beschäftigt, die Straßen wieder begehbar zu machen.9Ebenda, p. 24.
Von 13.45 Uhr bis 16.27 Uhr hatte der Kriegsminister ein Mittagessen in der Residenz von Premierminister Churchill. Außer dem PM nahmen laut Stimsons Dienstkalender Clement Attlee und Lord Frederick James Leathers teil.
Ich kehrte nach Potsdam zurück und aß mit dem Premierminister, Attlee und Lord Leathers zu Mittag, obwohl sich auch einige andere Gäste im Haus befanden, darunter seine Tochter Mary. Es war ein höchst ungewöhnliches Mittagessen, da Churchill und Attlee die beiden Gegner bei den Wahlen in England waren. Trotzdem waren sie beim Mittagessen äußerst herzlich und vertraut miteinander und schienen sich persönlich sehr gut zu verstehen. Sie neckten sich gegenseitig auf humorvolle Weise. Wir verbrachten eine sehr angenehme Zeit, Churchill und ich tauschten Erinnerungen an unsere Jugend aus, insbesondere über Kuba, und ich blieb bis fast halb fünf. Wir unterhielten uns über Schiffe – die Aufteilung der deutschen Handelsmarine, Europa und andere. Wir erörterten die Kohlelage in Großbritannien und den Vereinigten Staaten – die Vorräte beider Länder würden in diesem Winter knapp werden.
Als er zum Tor hinunterging, erzählte ich ihm von Harrisons Nachricht. Er hatte von seinen eigenen Leuten noch nichts davon gehört. Er war sehr interessiert und deutlich aufgemuntert, sträubte sich aber vehement gegen jede Veröffentlichung. Ich argumentierte ausführlich dagegen.10Ebenda, p. 24f.
Anschließend kehrte Stimson in sein Domizil zurück, ruhte sich kurz aus und ließ sich massieren. Um 19.30 Uhr machte er sich auf den Weg zum Abendessen bei Präsident Truman in dessen Residenz, das um 19.45 Uhr begann. Weitere Gäste waren Außenminister Byrnes die Generäle Marshall und Arnold sowie die Admirale William D. Leahy und Ernest J. King. Das Essen dauerte bis 21.27 Uhr. Um 21.45 Uhr wurde Stimson in seinem Arbeitsraum von den Generalen Lucius D. Clay, Oliver P. Echols und John H. Hilldring erwartet.
Zu den Gästen des Abendessens gehörten Byrnes, ich, Marshall, Arnold, King und Leahy sowie Mitglieder des Präsidentenstabs, darunter General Vaughan, zwei Marineadjutanten, Ross von der Öffentlichkeitsarbeit und möglicherweise weitere Personen.
Es war etwas enttäuschend, da direkt vor dem Fenster auf der Piazza ein Streichquartett spielte, das während des gesamten Abendessens ununterbrochen auftrat, sodass wir keine Gelegenheit hatten, uns zu unterhalten. Ich nehme jedoch an, dass der Präsident sich so ausruhte. Er hatte ja das Recht dazu. Der Präsident erzählte mir kurz von seinem ersten Treffen mit Stalin und meinte, er glaube, die Vereinbarung zur Öffnung der Tür in der Mandschurei sei damit erreicht worden.
Als ich zu unserem Haus zurückkam, traf ich die Generale Clay, Echols und Hilldring sowie weitere Personen an. Clay berichtete mir von der Lage in Deutschland und seinen Plänen.11Ebenda, p. 25.
18. Juli 1945
08.30 Uhr traf die zweite Nachricht von George L. Harrison zum Entwicklungsstand der Atombombe bei Stimson ein. Code-Bezeichnung: S-1.
Von 10.02 Uhr bis 10.22 Uhr informierte Stimson Präsident Truman im „Little White House“ über die Nachricht und deren Inhalt. In seinen Memoiren geht Truman darauf nicht ein.
Harrisons zweite Nachricht traf ein und enthielt einige weitreichende Details des Tests. Sie wurde umgehend dem Präsidenten übermittelt, der hocherfreut war. Der Präsident würdigte erneut Harrisons Zuversicht, die Politik der offenen Tür fortführen zu können. Ich nutzte die Gelegenheit, ihm die Wichtigkeit einer detaillierten Besprechung der Angelegenheit zu verdeutlichen, um Missverständnisse hinsichtlich der allgemeinen Formulierungen auszuschließen. Der Präsident war sichtlich sehr bestärkt durch Harrisons Nachricht und sagte, er sei sehr froh, dass ich zu dem Treffen mitgekommen war.12Stimson, Henry L., a. a. O., p. 26 f.
Nach dem Gespräch mit Truman nahm sich Stimson eine kurze Auszeit. In Begleitung seiner engsten Mitarbeiter McCloy und Bundy unternahm er einen Spaziergang durch das US-Delegationsgebiet und machte im Delegationsladen Einkäufe. Lapidar hieß es dazu in dem offiziellen Tagebuch des Kriegsministers:
12.00 to o1.00 Walk + Shopping with Mr. McCloy + Mr. Bundy.
Danach gönnte er sich in seinem Domizil eine Ruhepause.
Von 16.45 bis 17.45 Uhr hatte der Kriegsminister eine offizielle Beratung mit McCloy und Bundy.
Am Nachmittag, nach einer kurzen Pause, führte ich ein langes Gespräch mit McCloy und Bundy. Wir alle sind besorgt über die Zeitverschwendung bei der Informationsbeschaffung. Es finden sowohl informelle als auch formelle Konferenzen statt, und wir müssen warten, bis diese beendet sind. Dann kontaktiert McCloy einen der anwesenden Mitarbeiter des Außenministeriums, erkundigt sich bei ihm nach dem Sachverhalt und berichtet mir anschließend davon. Auf McCloys Drängen hin beschloss ich daher, Byrnes aufzusuchen und zu versuchen, McCloy Zugang zu der Konferenz zu verschaffen, an der auch andere Staatssekretäre teilnahmen.13Ebenda, S. 26.
19. Juli 1945
09.16 Uhr bis 09.35 Uhr Beratung von Kriegsminister Stimson mit Außenminister Byrnes.
Kurz nach neun Uhr ging ich zum „Kleinen Weißen Haus“ und sprach mit Byrnes über McCloys Teilnahme an der Konferenz. Er erklärte mir, dass für die formelle Konferenz eine Beschränkung auf maximal zwei Helfer pro Nation festgelegt worden sei, was McCloys Teilnahme ausschließe. Ich erwiderte, dass ich von zahlreichen informellen Konferenzen der Mitarbeiter des Außenministeriums wüsste und fragte ihn, ob er Einwände gegen McCloys Teilnahme daran habe. Er verneinte und gab sein Einverständnis. Anschließend fragte ich ihn nach Protokollen – ob welche geführt würden, die ich einsehen dürfte. Er verneinte dies; sie würden erst nach Abschluss der Dolmetscherarbeit am Ende der Konferenz verfasst. Mein Treffen mit ihm verlief daher eher ergebnislos. Er vermittelte mir den Eindruck, die Angelegenheiten dieser Konferenz streng geheim zu halten, und meine Unterstützung, die zwar grundsätzlich willkommen sei, sei in den Bereichen, in denen sie geleistet werden solle, streng begrenzt.14Ebenda, S. 26 f.
09.45 Uhr bis 09.55 Uhr hatte Stimson eine Konferenz mit General Clay und Mr. McCloy.
Ich kehrte ins Haus zurück und traf dort General Clay an. Ich besprach mich mit ihm und McCloy. Er war gerade in Potsdam angekommen, und es ist sehr interessant, mit ihm über seine Probleme zu sprechen, die er meisterhaft bewältigt.15Ebenda, S. 27.
Ab 11.10 Uhr konferierte der Kriegsminister mit General Hilldring, McCloy und Bundy. Inhalt: Verpflegung der Deutschen im US-Sektor in Berlin etc.
Später traf General Hilldring ein, und das Hauptthema der Versorgung der Deutschen im amerikanischen Raum in Berlin wurde angesprochen. Es handelt sich um ein schwieriges Problem, und es ist zu einer Unterbrechung der Verhandlungen gekommen.16Ebenda.
11.59 Uhr bis 12.59 Uhr hatten Lord Cherwell von der britischen Delegation und Bundy eine Konferenz mit Stimson. Lau Kalender soll auch McCloy zugegen gewesen sein. In der Tagebuchaufzeichnung Stimsons fehlt er.
Um zwölf Uhr kam Lord Cherwell vorbei, und wir drei – Bundy und ich – setzten uns unter die Bäume und besprachen S-1. Er war in Bezug auf die Benachrichtigung der Russen sehr vernünftig und teilte unsere Zweifel. Er berichtete, Churchill sei sehr angetan von unserem gemeinsamen Mittagessen am vergangenen Montag und sehr beeindruckt von dem Gespräch gewesen.17Ebenda.
14.00 Uhr bis 14.45 Uhr waren die britischen Feldmarschalle Harold R. Alexander und Henry Maitland Wilson in der Domstraße 1. Ihr Beratungsgegenstand mit dem Kriegsminister: Colonel James H. Douglas.
Nach dem Mittagessen um 14:00 Uhr trafen Feldmarschall Alexander und Feldmarschall Sir Henry Wilson ein. Hauptthema ihres Besuchs war die Ernennung von Oberst James H. Douglas zum amerikanischen Mitglied der Italienischen Kontrollkommission. Es hatte Verzögerungen und einige Komplikationen gegeben, und Alexander berichtete von Medienberichten, die dem amtierenden Kommissar, Admiral Stone, peinlich gewesen seien. Er schlug daraufhin vor, dass Douglas zu einem Inspektionsbesuch nach Italien reisen solle, um sich auf die Übernahme des Amtes vorzubereiten, und lud ihn ein, bei ihm zu wohnen. Douglas würde sein Amt dann später im September antreten. Dies wurde vereinbart, und die Telegramme wurden verfasst und versandt.
Ich sprach mit Alexander über seine Feldzüge in Italien und gratulierte ihm zu deren Erfolg, was ihn sichtlich freute. Es war das erste Mal, dass ich ihn persönlich traf, da er bei meinen Besuchen in Afrika und Italien abwesend gewesen war. Wir sprachen über die Ereignisse um Tito und de Gaulle bei ihren Einfällen (incursions) in Italien.18Ebenda, S. 27 f.
16.45 Uhr bis 17.00 Uhr tauschten sich McCly und Bundy mit Stimson zum Thema „Redefreiheit in Russland“ aus.
Später am Nachmittag, um Viertel vor fünf, führten McCloy, Bundy und ich ein langes, interessantes Gespräch über unsere Beziehungen zu Russland: die Ursachen der ständigen Differenzen zwischen den Ländern und wie man diese vermeiden könnte. Daraufhin diktierte ich ein Memorandum zu diesem Thema, das als eine Art Analyse und mögliche Grundlage für Maßnahmen dienen sollte. Im Kern ging es darum, den Russen klarzumachen, dass die wahre Ursache des Übels im Fehlen von Meinungsfreiheit in ihrem Regime und der eisernen Herrschaft der OGPU liegt. Ich war während dieses Besuchs sehr beeindruckt von der allgegenwärtigen Atmosphäre der Repression, die alle spüren, die mit der russischen Herrschaft in Deutschland in Kontakt kommen. Während sich russische und amerikanische Soldaten bei persönlichen Begegnungen scheinbar mögen, empfinden diejenigen, die mit russischen Beamten zu tun haben, ganz anders, was die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern erheblich beeinträchtigt. Churchill ist darüber sehr verärgert, und die meisten unserer Leute, die den Russen am nächsten standen, meinen, wir seien zu nachgiebig gewesen und sie hätten dies ausgenutzt.
Es ist ein äußerst schwieriges Problem, da sie ihr eigenes System verteidigen und jedem misstrauen, der versucht, es zu stören. Gleichzeitig wird mir immer deutlicher, dass eine Nation, deren System – wie unseres – auf freier Meinungsäußerung und allen Elementen der Freiheit beruht, nicht sicher sein kann, dauerhaft mit einer Nation zusammenzuarbeiten, in der die Meinungsfreiheit streng kontrolliert wird und die Regierung mit eiserner Hand durch den Geheimdienst agiert. Die Frage ist gerade jetzt von großer Bedeutung, und die Entwicklung der S-1 rückt sie in den Mittelpunkt. Ich beginne zu glauben, dass unser Komitee, das sich in Washington zu diesem Thema traf und so entschlossen war, die Kommunikation mit den Russen aufzunehmen, möglicherweise in eine Sackgasse geraten ist. Das heutige Gespräch mit McCloy und Bundy war aufschlussreich und hat die Situation geklärt.19Ebenda, S. 28 f.
22.00 Uhr stattete General Floyd Lavinius Parks, Commanding General „Masterwork“ Stimson einen Besuch ab und lud ihn für Freitag, den 20. Juli 1945, 11.30 Uhr zur Besichtigung (Review) der 2nd Armored Division in Berlin ein.
20. Juli 1945
09.00 Uhr bis 09.45 Uhr berieten McCloy und Bundy mit Stimson abschließend das am Vortag erarbeitete Dokument zur Redefreiheit in Russland.
10.00 Uhr riefen die Generale George. S. Patton Jr. und Floyd L. Parks bei Stimson an , um ihm ihren Respekt zu erweisen.
11.30 Uhr bis 12.35 Uhr Review der 2nd Armored Division in Berlin in Anwesenheit von Kriegsminister Stimson, der Generale Patton und Parks sowie von McCloy, Bundy und Colonel Kyle.
Am Morgen traf George Patton mit General Floyd L. Parks ein, dem Kommandeur des hiesigen Distrikts. Patton war von seinem Hauptquartier bei München hergeflogen, um mich zu sehen. Kurz vor Mittag fuhren wir hinaus und inspizierten die 2. Panzerdivision. Ihre Panzer waren am Straßenrand aufgestellt, der Fahrbahn zugewandt wie eine lange Soldatenreihe, die, würde ich sagen, gut eine Meile lang war. General Patton fuhr mit mir im Begleitfahrzeug an der Panzerkolonne vorbei, zusammen mit General Parks, McCloy, Bundy und Kyle. Wir fuhren mit einem Halbkettenfahrzeug die Reihe auf und ab, und es war ein sehr beeindruckender Anblick.20Ebenda, S. 29.
12.45 Uhr begann das Mittagessen, zu dem Stimson die Generale Patton und Parks sowie Major Murnane und Captain Hayo eingeladen hatte.
Zum Mittagessen hatten wir Patton und Parks, Major Murnane und Captain Hayo als Gäste, die jeweils Adjutanten der Generale waren.21Ebenda.
Es muss zu dieser Zeit gewesen sein, als sich ein Vorgang zutrug, den Stimsons persönlicher Masseur Joseph P. Leveritt seiner Familie in Form einer Anekdote hinterließ:
Stimsons Büro befand sich am Ende eines langen, mit Marmor ausgekleideten Korridors im prunkvollen ehemaligen Wohnhaus eines Nazi-Funktionärs. Sieben Marmorbüsten von Adolf Hitler standen auf Sockeln, die alle drei Meter in der Mitte des Korridors aufgestellt waren. Als Leutnant Leveritt den Flur entlangging, um Stimson zu sehen, kam Patton aus dem Büro des Ministers. Beim Anblick von Leveritt schnappte sich Patton eine Hitlerbüste und warf sie dem überraschten Leutnant zu, der sie auffangen konnte. „Leutnant Leveritt, überbringen Sie Hitlers Kopf Minister Stimson, mit freundlichen Grüßen von Patton“, bellte der General. Leveritt tat, wie ihm befohlen, und überbrachte Hitlers Marmorkopf einem amüsierten Kriegsminister.22https://www.rollerfuneralhomes.com/memorialpage-print-new2.asp?id=31646&locid=10
13.40 Uhr bis 14.55 Uhr Zeremonie des offiziellen Hissens im Hauptquartier der US-Streikräfte in Berlin. Kriegsminister Stimson, die Generale Dwight D. Eisenhower, Omar N. Bradley, Patton und Parks sowie die Vertreter des Kriegsministeriums McCloy, Bundy und Colonel Kyle nahmen am Präsidentenkonvoi nach Berlin teil.
Unmittelbar nach dem Mittagessen eilten wir mit derselben Gruppe zum Little White House, wo wir uns dem Präsidentenzug nach Berlin anschlossen. Dort hisste der Präsident die Flagge am Hauptquartier der amerikanischen Kontrollgruppe in den Gebäuden der Luftverteidigung. Es war eine beeindruckende Zeremonie. Es war dieselbe Flagge, die ich vor einem Jahr im Palazzo Venezia in Rom hatte hissen sehen. Nächstes Mal wird es Tokio sein. Eisenhower und Bradley waren ebenfalls anwesend, und ich unterhielt mich nach der Zeremonie angeregt mit beiden.23Ebenda.
Präsident Harry S. Truman hielt in seinen Memoiren als Erinnerung an diesen Augenblick fest:
Am nächsten Tag, dem 20. Juli, fuhr ich nach Berlin ins Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte, um beim offiziellen Hissen des Sternenbanners über unserem Sektor zugegen zu sein. Die Zeremonie fand im Hof der Kommandantur der egemaligen Berliner Fliegerabwehr statt. Die Ehrenwache stellte die Kompanie E des 41. Infanterieregiments und eine Militärkapelle spielte. In meiner Begleitung befanden sich Kriegsminister Stimson, McCloy und die Generale Dwight D. Eisenhower, Bradley, Patton und Clay. … Unmittelbar nach dem Hissen der Fahne fuhr ich ins Kronprinzenpalais, wo ich um 16.05 Uhr die vierte Sitzung der Potsdamer Konferenz eröffnete. 24Truman, Harry S., a. a. O., S. 358 f.
Um 15.20 Uhr ging die Arbeit für Stimson in seinem Babelsberger Quartier weiter. Fünf Minuten sprach er mit General C. K. Cannon, A. A. F., ETO.
General Cannon kam herein. Er ist für die Luftstreitkräfte der US-Armee auf dem E. T. O. (European Theater of Operations), dem Europäischen Kriegsschauplatz, zuständig. Er bot mir Ratschläge und Informationen für mögliche Erkundungen in Deutschland an, um mir ein Bild von der Lage zu machen.25Stimson, Henry L., a. a. O., S. 30.
Von 15.25 Uhr bis 16.00 Uhr dauerte sein Gespräch mit Botschafter Harriman. In seinem Tagebuch hat es Stimson, seiner Bedeutung entsprechend, an die erste Stelle gestellt. Dabei kam Harriman nach Cannon.
Wir kehrten daraufhin ins Haus zurück, und Botschafter Harriman kam auf meine Einladung herein, um über unsere Beziehungen zu Russland zu sprechen, die McCloy, Bundy und ich am Vorabend besprochen hatten. Ich zeigte ihm das von mir diktierte Papier über die Bedeutung der Meinungsfreiheit in Russland. Es mündete in den Vorschlag, die Russen allmählich an den Gedanken der Einführung jener Grundrechte zu gewöhnen, die meiner Meinung nach die wichtigste von allen sind. Harriman las das Papier und erklärte, die Analyse der Gründe für die Differenzen sei seiner Ansicht nach völlig richtig, doch er sei pessimistisch, was die Chancen auf eine Systemänderung in Russland angehe. Er sei nun seit fast vier Jahren in Russland und sichtlich deprimiert und besorgt über die Situation. Ich sprach lange mit ihm darüber, und angesichts seiner Intelligenz und Kompetenz beunruhigte mich seine Sichtweise sehr.26Ebenda.
Von 16 Uhr bis 16.10 Uhr sprachen Stimson und Bundy noch mit Allen Welsh Dulles.
Am späten Nachmittag erschien Allen Dulles, und ich unterhielt mich kurz mit ihm. Er war beim OSS in der Schweiz und spielte eine zentrale Rolle bei vielen Untergrundinformationen. Er erzählte uns von einer Neuigkeit, die ihm kürzlich in Bezug auf Japan zu Ohren gekommen war.27Ebenda.
Der Tag endete mit einem Filmabend von 21.30 Uhr bis 22.05 Uhr. Im Kalender Stimsons lautete dazu der Vermerk:
Movie shorts (G. I.) including a good picture of West Point.
21. Juli 1945
08.45 Uhr telefonierte Kriegsminister Stimson mit General Marshall, in dem es um kurzfristige Anberaumung eines Gesprächs des Ministers mit dem General ging.
Von 09.30 Uhr bis 09.45 Uhr war General Patton bei Stimson, um ihm seinen Respekt zu erweisen und sich zu verabschieden.
Ich stand auf und stellte fest, dass ich nicht viel zu tun hatte. Also räumte ich meine Unterlagen zusammen, sprach mit Bundy und verabschiedete mich von Patton, der mir seine Aufwartung machte. Anschließend diktierte ich meine Notizen und die Tagesordnung für weitere Besprechungen mit dem Präsidenten, Byrnes, Churchill und Marshall.28Ebenda.
Von 11.35 Uhr bis 12.05 Uhr befassten sich Stimson und Bundy mit einem Spezialbericht, den General Leslie R. Groves zur S-1 übermittelt hatte.
Um 11:35 Uhr traf General Groves‘ Sonderbericht per Kurier ein. Es war ein äußerst aussagekräftiges Dokument, klar und gut geschrieben, mit wichtigen Begleitdokumenten. Es enthielt einen ausführlichen und eindrucksvollen Bericht über den enormen Erfolg des Tests und offenbarte eine weitaus größere Zerstörungskraft als von S-1 erwartet. Während ich den Bericht mit Bundy las, kam Joseph E. Davies auf meine Einladung hin, und ich musste das Gespräch unterbrechen, um mit ihm Angelegenheiten zu besprechen, die rein höflicher Natur waren. Ich sprach mit ihm über den Charakter der Russen, wie er ihn während seiner Zeit als Botschafter in Russland beobachtet hatte, und er war etwas optimistischer als Harriman. Ich musste mich jedoch so schnell wie möglich entfernen, um mit dem Lesen des Berichts fortzufahren. Ich vereinbarte einen Termin mit dem Präsidenten, sobald er mich empfangen konnte, also um 15:30 Uhr.29Ebenda, S. 31.
Joseph E. Davies, der vormalige US-Botschafter in der Sowjetunion, war ab 12.05 Uhr genau 50 Minuten bei Stimson. Ab 13.15 Uhr aß der Kriegsminister mit den Generalen Clay und Echols zu Mittag. Von 15.00 Uhr bis 15.20 Uhr unterhielt sich Stimson mit General Marshall über den Spezialbericht von General Groves und über andere Sachverhalte.
Währenddessen aß ich zu Mittag und unterhielt mich mit General Clay und General Echols über ihre Arbeit zur Lösung des Wirtschaftsproblems in Deutschland. Um drei Uhr erfuhr ich, dass Marshall von der Sitzung der Vereinigten Stabschefs zurückgekehrt war. Um Zeit zu sparen, eilte ich zu ihm nach Hause, ließ ihn Groves Bericht lesen und besprach ihn mit ihm.30Ebenda.
15.30 Uhr traf Stimson im „Little White House“ ein, um sich mit Präsident Truman und Außenminister Byrnes über den Groves-Bericht und zu anderen Sachverhalten auszutauschen. Die Beratung dauerte bis 16.25 Uhr.
Anschließend ging ich zum „Little White House“ und traf Präsident Truman. Ich bat ihn, Minister Byrnes hereinzurufen, las ihm dann den gesamten Bericht vor und wir besprachen ihn anschließend. Sie waren außerordentlich erfreut. Der Präsident war ungemein ermutigt und sprach bei unseren Treffen immer wieder davon. Er sagte, der Bericht habe ihm ein völlig neues Selbstvertrauen gegeben und dankte mir dafür, dass ich zur Konferenz gekommen war und ihm auf diese Weise geholfen hatte.31Ebenda.
Nach diesem Gespräch begab sich Stimson in Begleitung seines Assistenten Bundy umgehend zur Residenz von Winston Churchill. Von 16.30 Uhr bis 16.57 unterhielten sich mit dem Premierminister und Lord Cherwell.
Ich verließ daraufhin das „Little White House“, holte Bundy ab und fuhr zum Haus des Premierministers, wo wir uns mit ihm und Lord Cherwell berieten. Ich übergab Churchill das Dokument, und er begann zu lesen, wurde aber wenige Minuten vor 17 Uhr unterbrochen, da er eilig zur Konferenz der Großen Drei um 17 Uhr aufbrechen musste. Er bat mich, am nächsten Morgen wiederzukommen, um den Bericht abschließend zu behandeln.32Ebenda, S. 32.
Bis 22.30 Uhr hatte Stimson danach Freizeit. Mit Bundy und Col. Kyle verfasste er bis 23.45 Uhr eine Antwort auf zwei soeben eingetroffene zwei kurze Telegramme von Harrison. Die Antwort wurde um Mitternacht abgesandt.
Massage und Abendessen, und dann trafen gegen 22.30 Uhr zwei kurze Telegramme von Harrison ein, in denen er mitteilte, dass die Operationen früher als erwartet abgeschlossen sein würden und er mich bat, meine Entscheidung zu einem der vorgeschlagenen Themen zu revidieren. Ich telegrafierte zurück, dass ich keine neuen Gründe für eine Änderung meiner Entscheidung sähe, sondern im Gegenteil, die neuen Sachverhalte sie zu bestätigen schienen.33Ebenda.
22. Juli 1945
Ich besuchte Präsident Truman um 9.20 Uhr. Am Vortag hatte ich ihm mein Papier mit Überlegungen zu unseren Beziehungen zu Russland übergeben, dessen Kopie diesem Dokument beiliegt. Ich hatte ihm erklärt, dass es sich keinesfalls um ein offizielles Dokument handele – es enthalte nicht einmal meine endgültigen Ansichten, sondern sei vielmehr eine Analyse, die ich für richtig hielt, und ein Programm, wie ich hoffte, dass dies eines Tages umgesetzt werden könnte. Daraufhin bat er mich, es einzusehen, und ich überließ es ihm. Heute Morgen holte ich es ab. Er gab es mir und erklärte, er habe es gelesen und stimme ihm zu.
Ich besprach mit ihm auch Harrisons zwei Nachrichten. Er zeigte sich sehr erfreut über den beschleunigten Zeitplan. Was das Sonderziel betrifft, dessen Genehmigung ich verweigert hatte, bestätigte er nachdrücklich meine Ansicht und erklärte, er sehe das genauso. 34Ebenda.
Das Gespräch mit Truman ging bis 09.35 Uhr. Von 10.40 Uhr bis 11.55 Uhr hatte Stimson das von Churchill am Vortag erbetene Gespräch zur Atombombe. Bei dem Termin in der Residenz des Premierministers waren außerdem zugegen: Bundy und Lord Cherwell.
Um 10.40 Uhr gingen Bundy und ich erneut zum britischen Hauptquartier und sprachen über eine Stunde lang mit dem Premierminister und Lord Cherwell. Churchill las Groves Bericht vollständig. Er erzählte mir, dass ihm beim gestrigen Treffen der Drei aufgefallen sei, dass Truman durch ein Ereignis sichtlich gestärkt worden wäre und den Russen mit Nachdruck und Entschlossenheit entgegengetreten sei. Er habe ihnen klargemacht, dass bestimmte Forderungen absolut unhaltbar seien und die Vereinigten Staaten entschieden dagegen. Er sagte: „Jetzt weiß ich, was gestern mit Truman los war. Ich konnte es nicht verstehen. Als er nach der Lektüre dieses Berichts zum Treffen kam, war er wie verwandelt. Er wies die Russen klar zurecht und dominierte das gesamte Treffen.“ Churchill sagte, er verstehe nun, wie es zu dieser Aufbruchstimmung gekommen sei, und er empfinde genauso. Seine eigene Haltung bestätigte seine Einschätzung. Er machte sich nun nicht nur keine Sorgen mehr, den Russen Informationen über die Angelegenheit zukommen zu lassen, sondern war sogar geneigt, sie in den Verhandlungen zu unseren Gunsten zu nutzen. Wir vier waren uns einig, dass es ratsam sei, den Russen zumindest mitzuteilen, dass wir an diesem Thema arbeiteten und es nutzen würden, falls und sobald es erfolgreich wäre.35Ebenda, S. 33.
12.15 Uhr rief Stimson General Arnold in sein Domizil in der Domstr. 1. Bis 13.05 Uhr unterhielten sich beide über Harrison`s zwei letzte Telegramme und über den Bericht von General Groves.
Um 12.15 Uhr rief ich General Arnold zu mir, zeigte ihm Harrisons zwei Telegramme, meine Antwort darauf und Groves’ Bericht, den er vollständig las. Er stimmte mir hinsichtlich des von mir aus dem Programm gestrichenen Ziels zu. Er meinte, die Organisation der Operationen, die nun fortgesetzt werden sollten, würde beträchtliche Anstrengungen erfordern.36Ebenda.
Bis 15.50 Uhr gönnte sich der Kriegsminister eine Ruhepause. Dann unternahm er bis 17.10 Uhr einen Ausflug mit dem Auto, über den es in seinem Kalender heißt:
Auto drive accomp. by Mr. Bundy, Col. Kyle and with Capt. G. T. Gabelia as russian interpreter.
Der Übersetzer George T. Gabelia ist im Tefefonverzeichnis der Delegation unter dem dem Familiennamen Gabilia verzeichnet. Er hatte seine Unterkunft während der Konferenz in der Stubenrauchstr. 7. Gabelias Familie kam nach der Revolution in Russland 1917 als Flüchtlinge in die USA. Er war als Übersetzer für den Secret Service der Vereinigten Staaten tätig und arbeitete nach der Potsdamer Konferenz sehr erfolgreich beim Geheimdienst der Armee in Berlin-West. 37Vgl. Borghardt, Thomas, Covert Legions. U. S. Army Intelligence in Germany, 1944 – 1949, Center of Military History United States Army Washington, D. C., 2022, S. 122 u. 194.
Nach dem Mittagessen und einer kurzen Pause unternahmen wir um 15:50 Uhr eine Autofahrt ins Umland westlich von Babelsberg und sahen weite, offene Landschaften sowie die schwer beschädigte Stadt Potsdam. Captain G. T. Gabelia begleitete uns als Führer, und die Gruppe bestand aus Bundy, Kyle, Kreps, Cabell und mir.
Abends sahen wir wie immer Filme. Die tägliche Massage, die ich mir jeden Nachmittag kurz vor dem Abendessen gönne, hat mir sehr geholfen, fit zu bleiben.38Stimson, Henry L., a. a. O., S. 33 f.
23. Juli 1945
Um 09.10 Uhr erhielt Stimson einen Anruf von Col. McCarthy, der ihn im Auftrag von General Marshall um ein Gespräch mit diesem bat.
Von 9.20 Uhr bis 10.00 Uhr befassten sich McCloy und Bundy mit dem Kriegsminister mit dem „Japanes Report“ und mit einer „Warning Message“.
Um 10.00 Uhr sprach Stimson mit Außenminister Byrnes über das „S-1 Timing“. Woraufhin ersterer einen Funkspruch an Mr. Harrison diktierte.
Um zehn Uhr rief mich Minister Byrnes an und fragte nach dem Zeitplan des S-1-Programms. Ich erklärte ihm die Auswirkungen der beiden Telegramme und dass ich versuchen würde, weitere, genauere Informationen zu erhalten. Ich diktierte Harrison ein Telegramm mit der Bitte, uns umgehend Bescheid zu geben, sobald der Termin feststehen würde.39Ebenda, S. 34.
10.15 Uhr bis 10.47 Uhr sprachen Stimson, McCloy und Bundy mit dem US-Botschafter in der Sowjetunion Averell Harrman.
Um 10.15 Uhr traf Botschafter Harriman ein, und er, McCloy, Bundy und ich besprachen die Lage. Harriman berichtete uns von den gestrigen Treffen. Er bemerkte die zunehmende Heiterkeit, die unsere Nachrichten offensichtlich hervorgerufen hatten, und bestätigte die wachsenden Forderungen der Russen. Sie legen ihre bisherige Zurückhaltung, lediglich eine kontinentale Macht zu sein und kein Interesse an weiteren Gebietsgewinnen zu haben, ab und versuchen nun offenbar, sich in alle Richtungen auszudehnen. So bemühen sie sich nicht nur energisch, ihren Einfluss in Polen, Österreich, Rumänien und Bulgarien auszuweiten, sondern suchen auch Stützpunkte in der Türkei und fordern nun die italienischen Kolonien im Mittelmeerraum und anderswo. Er teilte uns mit, dass Stalin gestern die Korea-Frage erneut angesprochen und auf eine sofortige Treuhandschaft gedrängt habe. Die Briten und die Franzosen weigern sich, eine Treuhandschaft für Hongkong und Indochina in Betracht zu ziehen, und ich sehe voraus, dass die Russen, wenn das so weitergeht, ihren Vorschlag für eine Treuhandschaft für Korea wahrscheinlich fallen lassen und die alleinige Kontrolle darüber fordern werden.mfn]Ebenda.[/mfn]
11.00 Uhr versuchte Stimson im „Little White House“ entweder mit Byrnes oder mit Präsident Truman zu sprechen. Byrnes war nich da, doch Truman unterhielt sich mit ihm bis 11.35 Uhr.
Um elf Uhr ging ich zum „Little White House“, um den Präsidenten oder Byrnes zu sprechen. Ich fühle mich stark eingeschränkt, da ich nicht weiß, was in den Besprechungen am späten Nachmittag und Abend besprochen wird. Dies gilt insbesondere jetzt, da das Programm für S-1 unsere Aktivitäten in allen Bereichen miteinander verknüpft. Als ich dort ankam, war Byrnes nicht da, und ich bat um den Präsidenten, der mich sofort empfing. Ich erklärte ihm, dass es mir die Planung meines militärischen Programms erheblich erleichtern würde, wenn ich jeden Morgen früh vorbeikommen und mit ihm oder Byrnes über die Ereignisse des Vortages sprechen könnte. Er bat mich sofort zu kommen; er würde sich freuen, mich jeden Morgen zu sehen und diese Angelegenheiten mit mir zu besprechen. Ich berichtete ihm dann von den Themen, die in der Konferenz mit Herrn Harriman am Morgen zur Sprache gekommen waren, und teilte ihm mit, dass ich Harrison um genauere Informationen zum Zeitpunkt der Operation gebeten hatte.
Er sagte mir, er habe die von uns vorbereitete Warnmeldung auf seinem Schreibtisch und habe unsere jüngste Änderung daran akzeptiert. Er beabsichtige, sie sofort nach Bekanntgabe des genauen Operationstermins zu veröffentlichen. Er versicherte mir jedoch, dass die Vereinigten Staaten standhaft blieben und er sich offenbar stark auf die Informationen bezüglich S-1 verlasse. Offenbar hält er viele der neuen russischen Behauptungen für Bluff und erklärte mir, worauf sich seiner Meinung nach diese beziehen würden. 40Ebenda, S. 35.
Von dem Gespräch fertigte Stimson ab 11.45 Uhr eine Gesprächsnotiz an. 12.45 Uhr telefonierte er mit General Marshall, der sich zwei Stunden später im Haus des Kriegsministers einfand. Bis 15.33 Uhr unterhielten sich beide allein. Dann wurden General Arnold, McCloy und Bundy hinzugezogen Ihr Thema: S-1 and the war in the Pacific. Um 17.12 Uhr gingen sie auseinander.
Nach dem Mittagessen und einer kurzen Pause empfing ich die Generale Marshall und Arnold und begrüßte McCloy und Bundy zur Konferenz. Der Präsident hatte mir am Morgen in einer Besprechung mitgeteilt, dass er unbedingt wissen wolle, ob Marshall der Meinung sei, wir bräuchten die Russen im Krieg oder könnten auch ohne sie auskommen. Dies war eines der Themen unserer Gespräche. Natürlich konnte Marshall diese Frage nicht direkt oder explizit beantworten. Wir hatten uns ursprünglich gewünscht, dass die Russen in den Krieg eintreten, um die japanische Armee in der Mandschurei aufzuhalten. Dies werde nun erreicht, da die Russen ihre Streitkräfte an dieser Grenze zusammengezogen und in Stellung gebracht hätten, sagte Marshall, und die Japaner ihre Armee vorrückten. Er wies jedoch darauf hin, dass selbst wenn wir den Krieg ohne die Russen fortsetzten und die Japaner zur Kapitulation unter unseren Bedingungen zwangen, dies die Russen nicht daran hindern würde, trotzdem in die Mandschurei einzumarschieren und zuzuschlagen. Dadurch könnten sie praktisch das erreichen, was sie in den Kapitulationsbedingungen gefordert hatten.
Marshall erklärte uns während unserer Konferenz, dass er der Ansicht sei, man habe sich in der Militärkonferenz bisher nur mit den britischen Problemen befasst, die nun praktisch alle gelöst seien und wahrscheinlich morgen endgültig abgeschlossen sein würden. Er meinte, es wäre vielleicht von Vorteil, um die Russen zu einer Entscheidung zu bewegen, wenn der Präsident morgen zu Stalin sagen würde: „Da die Briten ihre Arbeit beendet haben und nach Hause fahren, kann ich wohl auch die amerikanischen Generalstabschefs abreisen lassen. Das könnte die Russen dazu bringen, ihre Position und ihr weiteres Vorgehen darzulegen.“ Und natürlich deutete dies darauf hin, dass Marshall – wie ich auch – der Ansicht war, dass wir mit unserer neuen Waffe nun keine russische Unterstützung mehr bräuchten, um Japan zu erobern.
In der Konferenz wurde erneut über den Krieg im Pazifik gesprochen. Offenbar gestaltete sich das Verhältnis zu MacArthur äußerst schwierig, und Marshall verbrachte den Großteil seiner Konferenzzeit damit, die Wogen zur Marine zu glätten.
Ich sprach mit Marshall über die Vorbereitungen für S-1, und er schilderte uns die düstere Lage des Regenwetters in Japan zu dieser Zeit. Er meinte, die niedrige Wolkenuntergrenze und die dichte Bewölkung könnten unseren Angriff erschweren, obwohl es zwischendurch auch Auflockerungen und gute Tage gäbe. 41Ebenda, S. 35 ff.
Um 17.22 Uhr fuhr Stimson in Begleitung von Col. Kyle und dem Übersetzer Gabelia zum Schloss Cecilienhof, um sich erstmalig den Konferenzort der Großen Drei anzusehen. 18.15 Uhr waren sie wieder zurück in der Domstr. 1..
Nach der Beratung unternahm ich mit Colonel Kyle und Captain Gabilia, dem Russisch-Dolmetscher, eine kurze Fahrt vorbei am Potsdamer Rangierbahnhof (marshalling yards) zum Schloss Cecilienhof. In diesem Schloss fand die gegenwärtige Konferenz statt. Die Fahrt war sehr erfrischend.42Ebenda, S. 37.
21.00 Uhr diktierte der Kriegsminister einen Funkspruch an Harrison „as to Production Timetables„. Von 21.30 Uhr bis 22.00 Uhr ging der übliche Filmabend mit „G-I. Short Movie„.
Am Abend erhielt ich ein Telegramm von Harrison, in dem er mir die möglichst genauen Daten mitteilte, wann sie mit der Fertigstellung von S-1 rechneten, und ich antwortete mit einer weiteren Frage nach weiteren zukünftigen Terminen für die mögliche Anhäufung von Vorräten (supplies).43Ebenda.
24. Juli 1945
Von 9.20 bis 09.30 Uhr hatte Stimson eine Besprechnung mit Präsident Truman. Ab 09.50 Uhr diktierte er Notizen und Briefe.
Um 9.20 Uhr ging ich ins „Little White House“ und wurde sofort in das Zimmer des Präsidenten geführt. Er war allein mit seiner Arbeit und berichtete mir von den Ereignissen des gestrigen Treffens, mit dem er sehr zufrieden schien. Ich erzählte ihm dann von meiner Besprechung mit Marshall und der möglichen Schlussfolgerung, die er daraus ziehen konnte, dass die Russen nicht mehr benötigt würden. Ich erwähnte auch die Frage, die Marshall Stalin zur Heimreise der Amerikaner vorgeschlagen hatte. Er sagte, er werde dies am Nachmittag nach der Anhörung tun, teilte mir aber mit, dass Leahy eine Sitzung des Generalstabs einberufen habe, die entweder heute Nachmittag oder, wie ich glaube, morgen Vormittag stattfinden solle. Der Präsident äußerte offen seinen Wunsch, die Konferenz zu beenden und abzureisen. Er sagte mir, Churchill reise am Mittwoch ab und komme am Freitag zurück, und er hoffe, die Angelegenheit am Sonntag oder Montag abschließen und abreisen zu können. Ich sagte ihm, dass ich glaubte, alles erledigt zu haben, was ich sehen konnte, und dass ich, da Churchill abreisen würde, vorhatte, für ein oder zwei Tage zu Pattons Truppen nach Bayern zu fahren. Sollte er mir dann nicht telegrafieren, dass er meine Rückkehr wünsche, würde ich nach Hause fahren. Er sagte, diese Vereinbarung sei ihm vollkommen recht, und falls er meine Rückkehr wünsche, würde er sich bei Patton melden.
Ich zeigte ihm dann das Telegramm von Harrison vom Vorabend mit den Operationsdaten. Er meinte, genau das habe er sich gewünscht, er sei hocherfreut und es gebe ihm den Anstoß für seine Warnung. Er habe Chiang Kai-shek soeben gewarnt, um dessen Zustimmung einzuholen, und sobald diese vorliege, werde Truman die Warnung veröffentlichen, was zeitlich perfekt mit dem von Harrison erhaltenen Programm übereinstimme.
Ich sprach dann über die Bedeutung, die ich der Zusicherung an die Japaner hinsichtlich des Fortbestands ihrer Dynastie beimaß, und war der Ansicht, dass die Aufnahme dieser Zusicherung in die formelle Warnung wichtig sei und möglicherweise über deren Akzeptanz entscheiden würde. Ich hatte jedoch von Byrnes gehört, dass sie es vorzögen, diese Zusicherung nicht aufzunehmen, und dass eine solche Änderung nun durch die Übermittlung der Nachricht an Chiang unmöglich geworden sei. Ich hoffte, der Präsident würde die Angelegenheit genau beobachten, damit die Japaner, falls sich herausstellen sollte, dass sie in diesem Punkt zögerten, mündlich über diplomatische Kanäle beruhigt werden könnten. Er sagte, er habe dies im Blick und werde sich darum kümmern. Wir sprachen noch kurz über das S-1-Programm, und ich erläuterte ihm erneut meine Gründe für die Streichung eines der vorgeschlagenen Ziele. Er bekräftigte mit Nachdruck seine eigene, übereinstimmende Ansicht zu diesem Thema und stimmte insbesondere meiner Einschätzung zu, dass die Verbitterung, die ein solcher mutwilliger Akt hervorrufen würde, es in der langen Nachkriegszeit unmöglich machen könnte, die Japaner in dieser Region eher mit uns als mit den Russen zu versöhnen. Dies könnte, wie ich ausführte, das Mittel sein, um das zu verhindern, was unsere Politik forderte: ein den Vereinigten Staaten wohlgesonnenes Japan im Falle einer russischen Aggression in der Mandschurei.44Ebenda, S. 37 ff.
Es ist erstaunlich, was Stimson seinem Präsidenten in dieser kurzen Unterredung gesagt haben will.
Von 10.40 Uhr bis 11.20 Uhr sprach der Kriegsminister mit McCloy und Bundy. 13.58 Uhr bis 14.10 Uhr rief Stimson General Arnold an „at. Gen. A. Quarters“ und sprach mit ihm über Harrisons letzten Funkspruch. Von 19.55 Uhr bis 20.14 Uhr telefonierte Stimson mit Churchill, um diesem Auf Wiedersehen zu sagen.
Am Filmabend, von 21 Uhr bis 22.30 Uhr, wurde der Farbfilm (in Technicolor) gezeigt „Where do we go from here„.
25. Juli 1945
Von 09.20 Uhr bis 10.20 Uhr sprach Stimson mit den Generalen Marshall und Arnold sowie mit Mc Cloy und Bundy. Beratungsgegenstand: Harrisons Telegramm in Verbindung mit der Direktive von General Handy.
10.35 Uhr bis 11.00 Uhr sprachen Botschafter Harriman und Stimson miteinander. Zugegen waren McCloy und Bundy.
12.15 Uhr Telefonanruf von Colonel John Sergeant Wise, Verbindungsoffizier der US-Army, und dem Russisch-Dolmetscher Edward Page. Wise kam zu Stimson mit Page, der ihm als Dolmetscher bei einem Treffen mit Stalin zur Verfügung stehen sollte. Sie fuhren zum Schloss Cecilienhof, wo Stimson und seine Begleiter von Außenminister Wjatscheslav Molotov, dem Dolmetscher Wladimir N. Pavlov und von Andrej Gromyko, dem Botschafter der UdSSR in den USA, begrüßt wurden. Von 12.25 Uhr bis 12.43 Uhr konnte Stimson mit Stalin sprechen. Über das Gespräch fertigte der US-Minister eine Gesprächsnotiz an.
Heute Morgen erfuhr ich, dass ich zu einem Treffen mit Stalin in seinen Räumen am Konferenzort eingeladen war. Um 12.15 Uhr begab ich mich mit Mr. Page, der als mein Dolmetscher fungierte, dorthin. Wir wurden in das Schloss Cecilienhof geleitet, wo die Konferenzen stattfanden, und auf dem Weg zu Stalins Zimmer kam ich durch den Konferenzraum, in dem gerade eine der Arbeitsberatungen stattfand. Molotov, der dort anwesend war, begrüßte mich, ebenso wie Andrej Gromyko, der russische Botschafter in den Vereinigten Staaten. Molotov stellte mir Herrn Pavlov vor, der ebenfalls da war.
Nach wenigen Worten mit ihnen ging ich durch weitere Korridore, bis ich in Stalins Zimmer geführt wurde. Er kam und begrüßte mich herzlich und wies mir einen Platz vor seinem Schreibtisch zu, an dem er dann Platz nahm. Ich führte ein kurzes Gespräch mit ihm, dessen Protokoll ich später diktierte und das diesem Schreiben beiliegt. Stalin wirkte auf mich älter, als ich ihn erwartet hatte, und besonders auffällig war sein sehr großer Kopf.45Ebenda, S. 39.
Stimsons Biograph David F. Schmitz gibt 2001 den Inhalt des Gesprächs unter Heranziehung des vom Kriegsminister verfassten Protokolls “Conference with Generalissimo Stalin, 25 July 1945” wie folgt wieder.
Am 25. Juli traf Stimson Stalin zum einzigen Mal in seinem Leben. Er dankte Stalin zunächst für die Gelegenheit zum Treffen und für dessen Haltung zu Beginn des Krieges bezüglich der zweiten Front. Er sagte Stalin, er erinnere sich „genau an die Worte des Generalissimus – sie waren knapp und klar –, dass er zwischen einer Unterstützungsaktion und einer bloßen Ablenkungsaktion unterschieden habe.“ Stalins Unterstützung, so Stimson, habe maßgeblich zum anglo-amerikanischen Erfolg in Frankreich und Deutschland beigetragen. Der Kriegsminister lenkte das Gespräch dann auf die Nachkriegsbeziehungen. Er sagte Stalin, er sei „mit der Geschichte vertraut und es habe mir große Genugtuung verschafft zu wissen, dass die beiden Länder – Russland und die Vereinigten Staaten – während der gesamten Regierungszeit keine Probleme oder Differenzen gehabt hätten.“ Stalin ignorierte die amerikanische Intervention während der Russischen Revolution und die Jahre der Nichtanerkennung und stimmte Stimson zu. Der Minister fuhr fort, es gebe „keinen Grund für Streitigkeiten, und unsere natürlichen Ziele seien dieselben.“ Stalin erwiderte, dass im Gegensatz zu Russlands Beziehungen zu den Briten oder Franzosen „die Russen und die Amerikaner einander leicht verstanden“ und gemeinsame Ziele verfolgten.
Stimson erwiderte, er hoffe, dass dies der Fall sei, und er beabsichtige, „alles in meiner Macht Stehende zu tun, um diesem Weg zu folgen. Ich erklärte, mir sei aufgefallen, dass unsere Soldaten keinerlei Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit hätten. Daher hielt ich es für wichtig, dass unsere Kommandeure sich nach Kräften bemühten, so zusammenzuleben wie unsere Soldaten.“ Stalin, so Stimson später, „schien dieser Ansicht vollkommen zuzustimmen.“46Schmitz, David F., Henry L. Stimson. The first wise man, S. 189 f. (Kindle-Ausgabe)
Vom Schloss Cecilienhof fuhr Stimson wieder in die Domstr. 1. nach einem Mittagessen starteten Heny L. Stimson und seine Begleitung um 14.40 Uhr vom Flughafen Gatow in Richtung München, wo sie um 17.10 Uhr eintrafen und von General Patton sowie weiteren Generalen empfangen wurden.
Ich kehrte zurück zum Mittagessen und direkt danach flogen wir mit der C-54 nach München. Dort angekommen, wurde ich von General Patton und General Gay empfangen. 47Stimson, Henry, a. a. O., S. 39.
Die Hoffnung von Kriegsminister Stimson, dass ihn US-Präsident Truman zur weiteren Teilnahme an der Potsdamer Konferenz nach Neubabelsberg zurückrufen würde, erfüllte sich nicht. Nach einem Besuch der in München stationierten US-Truppen und verschiedenen Gesprächen mit hochrangigen Generalen flogen Stimson und seine Begleitung am 27. Juli 1945, 09.45 Uhr in München ab. Über Frankfurt/Main, Prestwick (Schottland), Stephenville (Neufundland) kehrten sie in die USA zurück und landeten dort auf dem Mitchel Field bei New York am 28. Juli 1945 um 11.50 Uhr.
Stimson hatte in Potsdam alles in seiner Macht Stehende getan, um die Politik zu beeinflussen und einen Abbruch der Beziehungen zur Sowjetunion zu verhindern. Am nächsten Tag verließ er Deutschland und kehrte auf sein Landgut Highhold in Huntington zurück, um sich von der Reise zu erholen. 48Schmitz, David F., a. a. O., S. 190.
Nachbetrachtungen
Trumans Verhältnis zu Stimson lässt sich schwer einschätzen, geht man von seinen Worten aus. Denn die Fakten sagen etwas anderes aus. In seinen Memoiren beschreibt Truman z. B. folgendes Ereignis:
Am Nachmittag des 28. Juli kehrten die Führer der britischen Delegation nach Potsdam zurück, freilich ohne Winston Churchill und Anthony Eden. Ihre Partei hatte eine entscheidende Wahlniederlage erlitten, so daß das konservative Kabinett zurückgetreten war.
Der neue Premierminister Clement Attlee brachte als seinen neuen Außenminister Ernest Bevin mit. Von dem ständigen Unterstaatssekretär im Foreign Office, Sir Alexander Cadogan, begleitet, besuchten sie mich gleich nach ihrer Ankunft im Kleinen Weißen Haus, hauptsächlich, um mich mit Bevin bekanntzumachen. In meiner Gesellschaft befanden sich Byrnes, Stimson, Admiral Leahy und General Marshall.49Truman, Harry S., a. a. O., S. 400.
Stimson kann nicht zugegen gewesen sein. Laut seinem offiziellen Dienstkalender befand er sich am 28. Juli 1945 in den USA, auf dem Weg vom Flugplatz Mitchel Airfield nach Huntington zu seiner Familie.
Am 21. September 1945 beendete Henry L. Stimson seine Laufbahn. In Trumans Memoiren ist folgende Würdigung enthalten:
Es war die letzte Kabinettssitzung, an der Stimson teilnahm. Sein Demissionsschreiben befand sich bereits in meinen Händen, und unmittelbar nach Sitzungsschluß verließ er Washington, womit eine der hervorragendsten Laufbahnen im Dienst der Nation ihren Abschluß fand. Ich sah ihn nur ungern scheiden. Er war ein ehrlicher und, wie man von Enoch gesagt hat, ein gerechter Mann. Seinen Ansichten verstand er in klaren Wendungen Ausdruck zu geben. Er genoß meine Achtung wie mein Vertrauen.50Ebenda, S. 568 f.
Wie aus der vorstehend erfolgten Wiedergabe des Tagebuchs von Henry L. Stimson hervorgeht, war er enttäuscht, was seine Rolle bei der Potsdamer Konferenz anbelangte. An keiner Sitzung der Großen Drei durfte er teilnehmen. Selbst seine engsten Berater wurden außen vor gelassen, obwohl der Kriegsminister sowohl den Präsidenten als auch den Außenminister ersucht hatte, ihnen durch ihre Teilnahme Informationen aus erster Hand zukommen zu lassen.
In Gesprächen mit Stimson äußerte Truman immer wieder, wie froh er sei, ihn in Potsdam an seiner Seite zu haben. Als er den Minister jedoch von München nach Potsdam zurückrufen können, wie angeboten, unterließ er das. Aus welchen Gründen auch immer.
Was Stimson und Truman vor allem miteinander verband, war ihr körperlicher und gesundheitlicher Zustand. Stimson befand sich wenige Wochen vor seinem 78. Geburtstag am 21. September 1945 und Truman hatte am 8. Mai seinen 61. Geburtstag gehabt. Der 29 Jahre alte Joseph P. Leveritt kümmerte sich als Masseur und Physiotherapeut um das körperliche Wohlbefinden des Kriegsministers und nach dessen Abreise aus Neubabelsberg auch um das von Truman.
Kurz vor dem Eintritt der USA in den Krieg trat Leveritt dem Sanitätskorps der US-Army bei und wurde in der Nähe von Washington als Masseur ausgebildet. Sein Talent für Tiefengewebsmassage machte den Arzt von Kriegsminister Henry Stimson auf ihn aufmerksam. Vermutlich handelte es sich bei dem Arzt um Major. General Norman T. Kirk.
Stimson litt an schwerer Arthritis, die ihm das Aufstehen am Morgen besonders schwer und zeitaufwendig machte.
Eines Morgens erhielt Leveritt den Befehl, sich um 5 Uhr vor dem Tor des Stützpunktes einzufinden, ohne dass ihm gesagt wurde, wohin er gebracht werden sollte. Er erinnerte sich, von einer schwarzen Limousine abgeholt und zu Stimsons Haus in Georgetown gebracht worden zu sein, wo er den Minister fortan viele Morgen lang buchstäblich aus dem Bett massierte.51https://www.rollerfuneralhomes.com/memorialpage-print-new2.asp?id=31646&locid=10
Leveritt begleitete Stimson zur Potsdamer Konferenz.
Durch seine Arbeit mit Stimson lernte er Präsident Truman kennen und wurde schließlich während dessen erster Amtszeit dessen persönlicher Trainer und Masseur. Leveritt hatte im Keller des Weißen Hauses eine Dampfkabine bauen lassen und unterhielt sich dort oft mit dem Präsidenten, während dieser darin lag. Kurz nach dem Abwurf der zweiten Atombombe auf Japan fragte Leveritt den Präsidenten, wie er solche Entscheidungen treffen könne, ohne unter dem Druck zusammenzubrechen. Er erinnerte sich an die Worte des Präsidenten: „JP, ich ziehe mich einfach in mein kleines Paradies zurück, und dort kann ich nachdenken und Entscheidungen treffen.“52Ebenda.
Quellen
1948 veröffentlichte Henry L. Stimson seine Erinnerungen. Das Buch mit dem Titel „On active Services in Peace and War“ entstand mit Hilfe von McGeorge Bundy. Es gibt in dem Buch kein Kapital, das sich mit der Potsdamer Konferenz befasst. Thematisch eingebunden ist sie in Kapitel XXIII „The atomic bomb and the surrender of Japan“ (S. 612 bis 633) und in Kapitel XXIV „The bomb and peace with Russia“ (S. 634 bis 655). Unter der Überschrift „The last month“ behandelt Kapitel XXV zu Beginn überblicksmäßig die Zeit von April bis September 1945. Und wendet sich dann Einzelthemen der US-Militärpolitik zu.
Nach dem Tod Franklin Roosevelts und der Amtsübernahme Harry Trumans reichte Stimson, wie auch andere Kabinettsmitglieder, seinen Rücktritt beim neuen Präsidenten ein. Truman versicherte seinem Kriegsminister umgehend und nachdrücklich, dass er nicht nur vorübergehend, sondern so lange wie möglich gebraucht werde. Stimson und das Kriegsministerium erhielten weiterhin die feste und verständnisvolle Unterstützung des Weißen Hauses, die sie in den vorangegangenen fünf Jahren gewohnt waren.
Doch bereits im April 1945 wusste Stimson, dass er sich in einem Wettlauf befand. Verständlicherweise wollte er bis zum Sieg im Amt bleiben. Ebenso menschlich war jedoch seine Erschöpfung. Er war nun fast 78 Jahre alt, und die Belastung der fünf Jahre in Washington hatte begonnen, sein Herz zu beeinträchtigen. Immer öfter war er gezwungen, seine Anstrengungen einzuschränken und konzentrierte sich nach April hauptsächlich auf die politischen Fragen im Zusammenhang mit der Atombombe. Seine Mitarbeiter und General Marshall arbeiteten zusammen, um ihm Arbeit so weit wie möglich abzunehmen, doch weder sie noch er selbst wollten, dass er länger im Amt blieb, als er noch sinnvoll dienen konnte.
Der Krieg in Europa endete im Mai. Im Juli reiste Stimson nach Potsdam. Am 6. August wurde die erste Atombombe abgeworfen. Der Krieg gegen Japan schien fast beendet. Doch am 8. August bereitete sich Stimson auf seinen Ruhestand vor; seine Ärzte hatten ihm zu einer vollständigen Ruhepause geraten, und er ging erneut ins Weiße Haus, um seinen Rücktritt vorzuschlagen. Präsident Truman riet ihm, sich notfalls sofort einen Monat lang zu erholen und sich dann wieder zum Dienst zu melden, falls er dazu in der Lage sei. Der Krieg sei fast vorbei, sagte er, und er wolle Stimson zum Kriegsende an seiner Seite haben. Am 10. August traf dann die Kapitulationsbotschaft ein. Stimson reiste ab, um sich zu erholen, doch es war bereits klar, dass er sich auf die abschließenden Schwierigkeiten der Amtsabwicklung vorbereitete und nicht auf weitere aktive Dienste. Nach seiner Rückkehr bat er formell um die Annahme seines Rücktritts, und er und Präsident Truman legten den 21. September als geeigneten Termin fest. Es wäre sein 78. Geburtstag gewesen.53Stimson, Henry L., On active Services in Peace and War, New York 1948, S. 656 f.
In der 2001 erschienenen Biographie Stimsons wird die Entstehung der Memoiren wie folgt beschrieben:
Im Frühjahr 1946 begann Stimson mit der Arbeit an seinen Memoiren. Unterstützt wurde er dabei von McGeorge Bundy, dem Sohn seines alten Freundes und Kollegen Harvey Bundy und junges Mitglied der Society of Fellows an der Harvard University. Bundy zog in das Haus des Hausmeisters in Highhold, und in den folgenden achtzehn Monaten trafen sich die beiden Männer fast täglich, um über Stimsons Karriere zu sprechen, Akten zu sichten und Bundys Manuskript zu überarbeiten. Obwohl in der dritten Person verfasst, spiegelte „On Active Service in Peace and War“ Stimsons Ansichten und Meinungen zu seinem öffentlichen Leben und seinem Dienst wider. Er fügte Bundys Text eine Einleitung zu seiner Familiengeschichte und ein kurzes Nachwort hinzu. Das 1948 erschienene Buch schilderte Stimsons lange Karriere, indem es ausführliche Auszüge aus seinen Papieren und Tagebüchern mit seinen Erinnerungen an Ereignisse und deren Bedeutung verknüpfte.54Schmitz, David F., a. a. O., S. 201.
David F. Schmitz wagte sich 2001 wieder an das Leben und Wirken von Stimson heran. „Henry L. Stimson. The first wise man“ lautet der Titel seines Buches.
Der wichtigste Ausgangspunkt für jede Beschäftigung mit Henry L. Stimson sind seine Papiere und Tagebücher in der Sterling Library, Manuscripts and Archives der Yale University in New Haven, Connecticut. Die umfangreichen Papiere, die Stimsons Leben von 1891 bis 1950 dokumentieren, bestehen aus 284 Kartons mit Briefen, Memoranden, Reden, Schriften zu speziellen Themen, persönlichen Papieren, Dokumenten aus seiner Zeit in verschiedenen Positionen und auf Reisen, Drucksachen und Notizen zu Stimsons Büchern und Artikeln, Zeitungsausschnitten, Geschäftsunterlagen, Fotografien und sonstigen Gegenständen. Die ersten 248 Kartons, die alles außer den Drucksachen, Zeitungsausschnitten, persönlichen Geschäftsunterlagen und Fotografien enthalten, sind auf 169 Mikrofilmrollen verfügbar. Ein hundertseitiger Leitfaden zur Mikrofilmsammlung ist bei Yale erhältlich. Die Tagebücher, die Stimson 1906 begann, umfassen 52 Bände mit jeweils durchschnittlich 180 Seiten. Die Einträge aus den Jahren 1906 bis 1930 sind zwar umfangreich, aber episodisch und größtenteils als Erinnerungen an Ereignisse verfasst. Für die Jahre 1930 bis 1933 und erneut von 1940 bis 1945 existieren Einträge für fast jeden Tag, die Stimsons Handlungen und Gedanken sehr detailliert festhalten und oft durch Notizen oder anderes Begleitmaterial ergänzt werden. Diese täglichen Einträge wurden in der Regel am frühen Morgen des Folgetages diktiert.
Von 1933 bis 1939 sind die Einträge unregelmäßiger. Der vollständige Bestand befindet sich auf neun Mikrofilmrollen mit detaillierten Namens- und Sachregistern sowie einer zehnten Rolle, die nur die neun Register enthält. Die Huntington Historical Society in Huntington, New York, besitzt eine kleine Sammlung zu Stimson und Highhold, die hauptsächlich aus Zeitungsausschnitten und Fotografien besteht. Sie besitzt außerdem ein Exemplar von Stimsons „My Vacations“ (Privatdruck, 1949), in dem er viele Aspekte seines Privatlebens, seiner Reisen und seines Zuhauses beschreibt.
Neben seinen Schriften und Tagebüchern sind Stimsons Bücher und Artikel über seine Karriere und die amerikanische Außenpolitik von unschätzbarem Wert. „American Policy in Nicaragua“ (New York: Scribner’s, 1927), „Democracy and Nationalism“ (Princeton: Princeton University Press, 1934), „The Far Eastern Crisis: Recollections and Observations“ (New York: Harper & Brothers, 1936) sowie seine gemeinsam mit McGeorge Bundy verfassten Memoiren „On Active Service in Peace and War“ (New York: Harper & Brothers, 1948) beleuchten verschiedene Aspekte von Stimsons Laufbahn.55Schmitz, David F., Henry L. Stimson. The first wise man. Bibliographic Essay, S. 202.
Schmitz knüpft in seiner Gliederung an die von Stimson bereits 1948 gewählte an. So wird die Potsdamer Konferenz in dem Abschnitt“ The Atomic bomb and the Postwar World“ behandelt.
Eine genaue Analyse seiner Gedanken aus dem Jahr 1945 und später zeigt, dass er weder ein Verfechter der Atomdiplomatie noch ein Verteidiger der ihm oft zugeschriebenen Orthodoxie war. Vielmehr plädierte er für den gleichzeitigen Einsatz der Atombombe und Verhandlungen. Man kann ihm durchaus vorwerfen, das Thema nicht früher vollständig durchdacht oder ein wirksames Mittel zur Umsetzung seiner Ansichten gefunden zu haben. Als Architekt des amerikanischen Militärsieges gebührt ihm viel Lob und Kritik für die amerikanische Politik, doch er hatte nicht die alleinige Befehlsgewalt und traf nicht die endgültigen Entscheidungen. Ironischerweise war derjenige, der die traditionelle Verteidigung des Einsatzes von Atombomben formulierte, gleichzeitig der erste Kritiker der Atomdiplomatie.56Ebenda, S. 172.
Anmerkungen
- 1Appointment Books, Vol, VI, 1945. National Archives, Record Group 107, Records of the Office of the Secretary of War
- 2Henry L. Stimson Diary, Vol. 49 – Vol. 52 (1944 November 1 – 1945 September 21), Yale University Library Digital Collections
- 3Truman, Harry S., Memoiren, Bd. I Das Jahr der Entscheidungen (1945), Stuttgart 1955, S. 23.
- 4Ebenda, S. 322 f.
- 5Ebenda, S. 330.
- 6Henry L. Stimson Diary, Vol. 49 – Vol. 52 (1944 November 1 – 1945 September 21), p. 23, Yale University Library Digital Collections
- 7Truman, Harry S., a.a.O., S. 425.
- 8Henry L. Stimson, a.a.O., p. 23 f.
- 9Ebenda, p. 24.
- 10Ebenda, p. 24f.
- 11Ebenda, p. 25.
- 12Stimson, Henry L., a. a. O., p. 26 f.
- 13Ebenda, S. 26.
- 14Ebenda, S. 26 f.
- 15Ebenda, S. 27.
- 16Ebenda.
- 17Ebenda.
- 18Ebenda, S. 27 f.
- 19Ebenda, S. 28 f.
- 20Ebenda, S. 29.
- 21Ebenda.
- 22https://www.rollerfuneralhomes.com/memorialpage-print-new2.asp?id=31646&locid=10
- 23Ebenda.
- 24Truman, Harry S., a. a. O., S. 358 f.
- 25Stimson, Henry L., a. a. O., S. 30.
- 26Ebenda.
- 27Ebenda.
- 28Ebenda.
- 29Ebenda, S. 31.
- 30Ebenda.
- 31Ebenda.
- 32Ebenda, S. 32.
- 33Ebenda.
- 34Ebenda.
- 35Ebenda, S. 33.
- 36Ebenda.
- 37Vgl. Borghardt, Thomas, Covert Legions. U. S. Army Intelligence in Germany, 1944 – 1949, Center of Military History United States Army Washington, D. C., 2022, S. 122 u. 194.
- 38Stimson, Henry L., a. a. O., S. 33 f.
- 39Ebenda, S. 34.
- 40Ebenda, S. 35.
- 41Ebenda, S. 35 ff.
- 42Ebenda, S. 37.
- 43Ebenda.
- 44Ebenda, S. 37 ff.
- 45Ebenda, S. 39.
- 46Schmitz, David F., Henry L. Stimson. The first wise man, S. 189 f. (Kindle-Ausgabe)
- 47Stimson, Henry, a. a. O., S. 39.
- 48Schmitz, David F., a. a. O., S. 190.
- 49Truman, Harry S., a. a. O., S. 400.
- 50Ebenda, S. 568 f.
- 51https://www.rollerfuneralhomes.com/memorialpage-print-new2.asp?id=31646&locid=10
- 52Ebenda.
- 53Stimson, Henry L., On active Services in Peace and War, New York 1948, S. 656 f.
- 54Schmitz, David F., a. a. O., S. 201.
- 55Schmitz, David F., Henry L. Stimson. The first wise man. Bibliographic Essay, S. 202.
- 56Ebenda, S. 172.
© GeschichtsManufaktur Potsdam, 03. November 2025